Jörg „Schorsch“ Reckemeier verstorben
  20.02.2023 •     Verband


Oldenburger war jahrzehntelang Herausgeber der Deutschen Senioren-Bestenliste

bt – Nur drei Wochen nach seinem 81. Geburtstag verstarb am 11. Februar in Oldenburg der langjährige Pressewart des NLV-Kreisverbandes Oldenburg-Stadt Jörg Reckemeier. Der gebürtige Stettiner war aber weit über die Grenzen Oldenburgs als Leichtathletikexperte mit enormen Wissen bekannt. „Er war ein wandelndes Lexikon der Leichtathletik dem keiner was vormachen konnte. Aber einmal habe ich ihn dann doch gekriegt“, erinnert sich der stellvertretende Kreisvorsitzende des NLV-Kreisverbandes Oldenburg-Stadt Ekkart Schmidt an die einzige Situation zurück wo er mal mehr wusste als Jörg Reckemeier. „Ich war bei der EM 1971 in Helsinki wo auch eine gewisse Ulrike Meyfarth am Start war und in der Qualifikation ausschied. Deshalb hatte er sie auch nicht auf dem Schirm und glaubte mir das zunächst nicht. Rund zwanzig Jahre später kam er zu mir und sagte zu mir „Ekkart Du hattest recht“. So war Schorsch“.

Seine eigene sportliche Karriere begann der Vollblut-Leichtathlet beim Oldenburger TB wo er nicht nur als Leichtathlet, sondern zunächst auch als Basketballer aktiv war. Aber auch in der Leichtathletik selbst liebte er die Abwechslung, so war er zunächst im Zehnkampf und im Fünfkampf aktiv, bevor es ihn zur Mittelstrecke zog wo er ebenfalls mit beachtlichen Leistungen aufwarten konnte. Weniger Abwechslung suchte er dagegen bei seiner Vereinsmitgliedschaft. Nachdem er in den sechziger Jahren zum DSC gewechselt war blieb er dem Verein bis zu seinem Tode treu und leitete zeitweise hier auch die Leichtathletik-Abteilung. Einzig während seiner Bundeswehrzeit in Ahlen (SSV Westfalia 05/06 Ahlen) und seines Sportstudiums in Hannover (DTSG v. 1874 Hannover) wechselte er für kurze Zeit das Vereinstrikot. Erst Mitte der achtziger Jahre beendete er seine aktive Karriere und hielt sich seitdem mit zahlreichen Radtouren fit.

Da hatte er aber schon längst andere Aufgaben innerhalb der Leichtathletik gefunden, denn schon früh war klar das er auch nach seiner Karriere als Aktiver der Leichtathletik treu bleiben würde. Bereits seit seinem 17. Lebensjahr beschäftigte er sich mit Leichtathletikstatistik. Anfangs nur auf Vereins- und Kreisebene brachte er seit den siebziger Jahren die „Senioren-Bestenliste“ heraus. Dieses Standardwerk das wohl jedem Wettkampfathleten im Seniorenalter in Deutschland ein Begriff sein dürfte darf man wohl als sein Lebenswerk bezeichnen, das ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht hat. „Anfangs hat er die Liste noch auf der Schreibmaschine geschrieben und das stundenlang“, erinnert sich Schmidt, der in den Siebzigern mit Reckemeier in einer bis zu sieben Mann starken Läufer-WG in der Cloppenburger Straße 62 gelebt hat. „Einmal ist ihm dabei seine elektrische Schreibmaschine durchgeknallt, weil er sie total überlastet hat“, erzählt Schmidt lachend. Kein Wunder das er bei soviel Liebe für leichtathletische Zahlen auch Mitglied der Gemeinschaft Deutscher Leichtathletik-Statistiker war. Aber nicht nur in die Bestenliste floss seine Leichtathletikkompetenz ein. So prägte er jahrelang als Redaktionsmitglied maßgeblich die Zeitschrift "Senioren-Leichtathletik und brachte den Lesern der Nordwest-Zeitung die Leichtathletik näher.

Als ob das zeitlich nicht schon aufwendig genug gewesen wäre stellte er sich seinem DSC auch mehr als zwanzig Jahre lang als Trainer zur Verfügung. Hier zeigte er sich in erster Linie für die weiblichen Mittelstrecklerinnen verantwortlich. Darunter auch seine spätere Frau Maike. Zahlreiche Erfolge des DSC bei Deutschen Jugendmeisterschaften in dieser Zeit sind auf sein Engagement zurückzuführen. Vor rund zwanzig Jahren führte ihn dann sein Weg auch zum deutschen Leichtathletikverband wo er ab 2002 bis 2018 ein festes Mitglied im DLV-Betreuerteam bei internationalen Seniorenmeisterschaften war und hier unter anderem für die Staffelaufstellungen verantwortlich war. Wer einmal an einem dieser Treffen am Vorabend der Staffelläufe teilgenommen hat dürfte ihn kaum um diese Aufgabe beneidet haben. Aber auch als kompetenter Ratgeber für Veranstalter und Athleten war er hier sehr gefragt.

Seit 2006 war er zudem Mitglied im Bundesfachausschuss der Senioren. „Schorsch hat Leichtathletik gelebt“, so Schmidt über seinen langjährigen Freund und Weggefährten. Für seine jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit als Aktiver, Trainer, Betreuer, Abteilungsleiter, Pressewart und  Fachredakteur überreichte ihm, der es selbst eigentlich nicht so sehr liebte im Rampenlicht zu stehen, der DLV im Jahre 2007 im Rahmen einer deutschen Meisterschaft den DLV-Ehrenschild, der höchsten Auszeichnung in der deutschen Leichtathletik die nur selten verliehen wird.

Aber nicht nur ehrenamtlich, sondern auch beruflich drehte sich bei ihm vieles um den Sport den er so liebte. Nachdem er zunächst eine kaufmännische Lehre gemacht hatte absolvierte er in den Siebzigern als Quereinsteiger in Hannover ein verkürztes Studium zum Sportlehrer. Anstatt dann aber an einer Schule zu beginnen ging er für zwei Jahre nach Duisburg wo er in den Jahren 1977 bis 1978 für den LV Nordrhein als Jugendsekretär tätig war. Zurück in Oldenburg betrieb er über zwanzig Jahre lang ein eigenes Sportgeschäft mit Versandhandel, bevor er sich zur Ruhe setzte und sich voll und ganz auf seine zahlreichen Ehrenämter in der Leichtathletik konzentrieren konnte. Auch wenn er sich in den letzten Jahren seines Lebens nach und nach von seinen Ämtern zurückzog verfolgte er den Sport der sein Leben so geprägt hatte weiterhin voller Interesse. So zum Beispiel bei den Finals im vergangenen Sommer in Berlin, wo er auch das ein oder andere Fachgespräch führte. „Man konnte sich mit Schorsch aber auch über alle andere möglichen Themen gut unterhalten. Er kannte sich nicht nur in der Leichtathletik gut aus. Was ich an ihm besonders geschätzt habe war auch das er den Mut hatte unangenehme Dinge anzusprechen“, wird nicht nur Ekkart Schmidt in Zukunft die anregenden Gespräche mit Jörg Reckemeier vermissen.

Bernd Teuber

 

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